NACHHALTIGKEIT

Wir leben in einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das nicht auf Sparen, sondern auf Verbrauch (und Verschwendung) aufgebaut ist.
Sparen ist diesem System deshalb nur konform, wenn damit auch Geld verdient werden kann. Das heißt: Grundlage für Einsparungen sollen Investitionen in neue, sparsame Güter sein.
Dementsprechend werden die offiziellen politischen Postulate zu nachhaltigem Handeln begleitet von Aufforderungen und Anreizen zu verstärktem privaten Konsum. Kritische, gar verweigernde Haltungen gegenüber Verbrauchsgütern werden politisch nicht geschätzt.
(Folgerichtig wurde das in Bezug auf Nachhaltigkeit sehr kompetente und aufmerksame Bundesumweltamt aus dem politischen Zentrum entfernt, auch wenn es in Dessau einen wunderbaren (nachhaltigen?) Neubau beziehen durfte. Cum grano salis: das Umweltbundesamt hätte aufgrund seiner Bedeutung in den vorbildlich regenerierten Palast der Republik gehört....)
Bezogen auf den Städtebau bedeutet „Nachhaltigkeit“ doch wohl: räumliche Strukturen, die langfristig brauchbar sind, und deren Anpassungen an veränderte Ansprüche mit geringem Aufwand zu leisten sind. Diese Strukturen und Systeme sollen auch möglichst geringe Betriebskosten verursachen.
Das bezieht sich auf Erschließungssysteme, Angebot und Verfügbarkeit von Innen- und Außenraum für alle möglichen benötigten und gewünschten Nutzungen und nicht zuletzt auf die Möglichkeiten, sich diese Räume gesellschaftlich anzueignen. Als beispielhaft dafür wird von der UNESCO die traditionelle europäische Stadt genannt. Die Merkmale sind: Kurze Wege durch Dichte und Mischung der Nutzungen, politische Stabilität durch diskursiven Interessenausgleich, funktionale Flexibilität, Identität durch Tradition und Vertrautheit.
Gefährdungen dieses Erfolgsmodells: soziale Verdrängung und funktionale Segregation, Behinderung neuer Ideen durch Regelungswut, autokratische Durchsetzung von Einzelinteressen, Betreibung und Subventionierung Energie verschwendender Systeme, Investitionen in teure Prestigeprojekte zu Lasten einer allgemeinen Qualitätsverbesserung des Lebensraumes.
Konkret muss hier der Bau von Tunneln, Brücken und Trassen der großen Transportsysteme genannt werden. Ob eine „nachhaltige“ Entlastung und Aufwertung der Städte dadurch eintritt, kann bezweifelt werden. Gewiss ist, dass die Probleme, die vor allem der motorisierte Verkehr verursacht, mit großem Aufwand fortgeschrieben werden – zu Lasten funktionierender bzw. innovativer örtlicher Mobilitätssysteme, für deren Entwicklung und Erprobung Geld und politischer Wille fehlt. Ein Beispiel ist die Herunterwirtschaftung der Berliner S-Bahn durch die Bahn AG bei gleichzeitigem Ausbau einer „globalen“ LKW-Infrastruktur.

Ein ehrgeiziges und komplexes, aber interessantes Projekt wäre, die tatsächlichen „Betriebskosten“ einer Stadt zu ermitteln und sie mit den gebotenen Qualitäten in Beziehung zu setzen. Und mit diesen Erkenntnissen wirklich „nachhaltige“ Handlungsstrategien zu entwickeln. Die wenigen sektoralen Ansätze, die es meines Wissens gibt, reichen bei weitem nicht aus.
Sparen kann man auch mit dem Kauf eines vielleicht teureren, aber lange haltbaren und unverändert gebrauchsfähigen und attraktiven, eben „werthaltigen“ Produktes.
Als werthaltig haben sich zum Beispiel die Bauten der Gründerzeit erwiesen. Nach rund hundert Jahren ist nicht zu bezweifeln, dass sie in toto stabil und bautechnisch einwandfrei sind und ihr Raumangebot für viele unterschiedliche Nutzungen geeignet ist. Hochwertige Materialien in handwerklicher Verarbeitung sind von zeitloser Qualität. Die notwendigen haustechnischen und Energie sparenden Nachrüstungen sind fast immer problemlos möglich.

Mit Bauten der 60er Jahre verhält es sich im allgemeinen anders. Mangelnde Solidität der Bauausführung, geringe Verträglichkeit und Haltbarkeit der verwendeten Materialien sind eben nicht nachhaltig; knappe und starre Raumangebote schränken die funktionale Anpassungsfähigkeit ein. Dazu kommt oft noch eine Architektursprache, die sich überlebt hat. Das heißt: Abbruch und Neubau- oder Verzicht auf jede Aktualisierung des Gebäudes: Leerstand und Verwahrlosung sind die Folgen. Ansätze für nachhaltiges Bauen sind Energiesparhäuser, Passivhäuser, aber auch das technisch selbständige Haus, das selbst das Licht aus und die Tür zu macht (Haus Sobek, Stuttgart). Ob diese Häuser mit ihrer sektoralen Effizienz zu allgemeinen Vorbildern taugen? Wo führt das hin: Nachhaltigkeit durch Technologie?

Es geht bei Nachhaltigkeit nicht um Fragen des Baustils und um technische Neuheiten. Es geht darum, dass definiert wird, welches die Kriterien der Nachhaltigkeit insgesamt sind, und von welchen Bautypen man in dieser Hinsicht lernen kann.